Mein Köthen und ich. 

Köthen ist meine Heimat. 

Das ist einfach gesagt. Das klingt kitschig. Das klingt wie etwas, das Politiker sagen. Stimmt alles und trotzdem ist es vielleicht bei mir ein klein wenig anders.

Studenten vor der IOS Köthen um 1979
Die heutige FH Köthen Anhalt im Jahr 1979

Als ich nach Köthen kam, war ich 18 Jahre alt. Ich war Student, ich hatte den Kopf vermutlich voller Flausen, so ganz genau will man dass nach fast 40 Jahren ja nun doch nicht mehr zugeben. Ich kam aus einem kleinen Dorf in Thüringen: viel Acker, ein kleiner Fluss, Landwirtschaft, immerhin zwei Kirchen.Dann Köthen. Kino, Stadttheater, Mensa, Café Troika...  Köthen war meine persönliche weite Welt. Kultur, Theater, Schlosspark - alles da! 

Im Tierpark 1986
Im Tierpark 1986

Später Frau und Kind - das mit der Wohnung alles kompliziert, aber wahrscheinlich nicht komplizierter als bei den meisten von uns. Irgendwann der Himmel auf Erden: Eine Plattenbauwohnung. Meine Herren waren wir modern! Die Rüsternbreite eine Art Utopia. Spaziergänge im Park, mit dem Rad zum Zollhaus, zum Schrebergarten der Schwiegereltern und im Sommer manchmal zum Tierpark und Eisholen im "Pinguin" für alle. 

Und dann kam die Wende und alles wurde anders: anderer Job, andere Möglichkeiten - andere Menschen kamen in die Stadt - die sah auch auf einmal anders aus. Vor allem erstmal bunt. Man hatte viel um die Ohren, hatte mit sich selbst zu tun, hatte Freiheiten und wollte sie nutzen. Hat Dinge ausprobiert und war mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Jetzt, ein viertel Jahrhundert später, schaue ich mir Köthen an und staune manchmal so vor mich hin.... die Plattenbauten werden immer weniger... der Tierpark tritt medial gegen die Bibliothek an, es wird hektisch und dann wieder ganz still.

 

Man muss sich das mal vorstellen! Was haben die Köthener schon so alles auf die Beine gestellt: der KuKaKö ist bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt, wir haben bald ein wunderbar rekonstruiertes und schon modern erweitertes Schloss, das von Kulturliebhabern aus ganz Europa besucht wird. Die Bachtage werden überall gelobt, unsere Innenstadt ist ein wahres Schmuckstück - und trotzdem ... es klappern einem streckenweise die Zähne, z.B. wenn man von Wülknitz aus ins Zentrum will, weil noch viele Straßen in einem, na ... sagen wir mal mittelalterlichen Zustand sind.  Und nach und nach verschlägt's unsere Kinder in lukrativere Ecken, weil sie hier keinen Fuß auf den Boden kriegen und schon sehen wir erst sie und dann unsere Enkelkinder nur noch 5 Mal im Jahr. 


Blick auf den Köthener Markt von der Jakobskirche aus
Aus der Vogelperspektive ist Köthen schon jetzt perfekt. Jetzt müssen wir noch die Kühe zum fliegen kriegen.

Dabei ist doch alles hier: Wir haben hier einen Wissensstandort mit Tradition. Das weiß ich genau, weil ich 1975 und in den Jahren darauf hier eine Menge gelernt habe. Über Wissenschaft, Ökonomie und das Leben an sich. Wir haben Kultur hier, immerhin so viel, als dass sich die Anreise aus fernen Ländern dafür lohnt. Und wir haben hier Leute mit Herz. 

Fachhochschule Anhalt Köthen Januar 2015
Die FH-Anhalt heute


Woran also mangelt's?

Vielleicht schafft Köthen es derzeit nicht, seinen Bürgern glaubhaft eine Zukunft zu versprechen, in der für sie mehr möglich ist, als knapp über dem Mindestlohn zu leben.

Vielleicht ist Köthen so sehr mit seinem knappen Haushalt überfordert, dass es die Grundbedürfnisse der Bürger nicht mehr sieht?

Vielleicht ist Köthen so mit Verwalten beschäftigt, dass kaputte Straßen einfach keine Priorität haben?

Vielleicht ist Köthen auch so unter Bitterfeld verschwunden, dass es gar keine eigene Stimme mehr hat? 

Vielleicht jammern wir auch nur auf hohem Niveau, denn eigentlich können wir uns auch hinstellen und sagen: Köthen hat sich gut entwickelt.

Dass es dabei allerdings immer leicht über die Verhältnisse gelebt hat, wissen wir ja nun auch.

Nun ist das Wichtigste, alle Finanzen in Ordnung zu bringen, damit sich Köthen auch langfristig (und ich denke da auch an unsere Kinder und Enkel!) weiter entwickeln kann.